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WERKSTOFFE FÜR DEN NEUEN AIRBUS

Kürzlich wurde am Flughafen Frankfurt der erste A320neo mit Getriebefan-Triebwerk in den Serienbetrieb übergeben. Mit dabei ist eine Werkstoffentwicklung aus Leoben. Der europäische Flugzeugbauer Airbus hat sein erstes Mittelstreckenflugzeug mit öko-effizientem Antrieb an den Erstkunden Lufthansa ausgeliefert.

Titanaluminide revolutionieren den Flugzeugbau.

Titanaluminide revolutionieren den Flugzeugbau.

Das Getriebefan-Triebwerk PurePower® PW1100G-JM ist ein Gemeinschaftswerk der Partner Pratt & Whitney, MTU Aero Engines und Japanese Aero Engines Corporation (JAEC). Die A320neo – neo steht für „new engine option“ – ist im Mittelstreckenflugzeug-Segment mit rund 60 Prozent Marktanteil derzeit das erfolgreichste Modell. Seit Beginn ihrer Vermarktung im Jahr 2010 sind mehr als 4.400 Bestellungen von knapp 80 Kunden eingegangen, wie die MTU mitteilte.

Enorme Anforderungen
Die Anforderungen an die Flugzeuge der nächsten Generation sind enorm: Die Maschinen sollen leiser, spritsparender und – vor allem – umweltschonender werden. Die Triebwerke spielen dabei eine Schlüsselrolle. Arbeiten sie effizienter, fliegen die Passagiere günstiger. Ferner sinken die Emissionen. Kurzum: Die Airline, die Reisenden und die Umwelt sind im Vorteil.

Werkstoffentwicklung aus Leoben
Maßgeblich an der Werkstoffentwicklung für das neue Getriebefan-Triebwerk (GTF) beteiligt war die Arbeitsgruppe „Intermetallische Werkstoffe und Phasenumwandlungen“ von Ass.-Prof. Dr. Svea Mayer am Lehrstuhl für Metallkunde und metallische Werkstoffe.
Der Schwerpunkt der Forschungsinhalte lag in einer neu entwickelten Titanaluminid-Legierung, einer intermetallischen Verbindung aus Titan und Aluminium. „Grundsätzlich kann man sagen, dass Titanaluminide sehr gute Festigkeits- und Steifigkeitseigenschaften bei geringer Dichte aufweisen“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Helmut Clemens, der den Lehrstuhl leitet. Bei der Forschungs- und Entwicklungsarbeit wurde zum ersten Mal eine computergestützte Methode zur Festlegung der Zusammensetzung von Titanaluminid-Legierungen angewendet. Darüber hinaus wurden In-situ-Methoden wie Beugungsexperimente mit Synchrotronstrahlung eingesetzt, um technologische Prozesse wie zum Beispiel Hochtemperaturumformung und Wärmebehandlungen in Echtzeit zu beobachten.
Um die Verfahrensentwicklung und das Legierungsdesign zu optimieren, gab es zusätzlich zum experimentellen Zugang eine extensive Phase der theoretischen Modellierung, in deren Rahmen auch die heutzutage unverzichtbaren Methoden des „Atomistic Modellings“ angewandt wurden.

 Titanaluminide
Titanaluminide (TiAl) sind eine Werkstoffklasse für sich, eine auf atomarer Ebene abgestimmte Verbindung mehrerer Metalle. Die Anteile der Titan- und Aluminiumatome werden in einem ganz bestimmten Verhältnis eingestellt. „So entsteht eine sogenannte intermetallische Verbindung mit einer geordneten Kristallstruktur“, beschreibt Mayer. „Jedes Atom sitzt auf einem ganz bestimmten Platz. Das ist das Kennzeichen der Titanaluminide und verantwortlich für seine besonderen Eigenschaften.“ Die größte Hürde für den Einsatz des Leichtbau-Werkstoffs im Zukunftsantrieb Getriebefan war das Beherrschen der Verarbeitbarkeit: TiAl ist kaum umformbar. Das Schmieden von Turbinenschaufeln mit herkömmlichen und preisgünstigen Methoden war bislang nicht möglich. „Durch thermodynamische Berechnungen wurde ausgelotet, in welchem Temperaturbereich und mit welcher Phasenkonfiguration geschmiedet werden kann“, erläutert Clemens. „Mit der entwickelten TiAl-Legierung kann der Schmiedeprozess nun auf konventionellen Umformmaschinen durchgeführt werden – das ist der eigentliche Clou.“ Des Weiteren können durch nachfolgende Wärmebehandlungen maßgeschneiderte mechanische Eigenschaften eingestellt werden.

Energieeffizienter fliegen
„Der GTF ist ein technologischer Quantensprung, denn die neue Triebwerksarchitektur senkt den Kraftstoffverbrauch um 15 Prozent, reduziert die CO2-Emissionen um ebenfalls 15 Prozent und halbiert den Lärm nahezu.“ Von der MTU stammt eine der Schlüsselkomponenten, nämlich die schnelllaufende Niederdruckturbine, in der die Titanaluminid-Legierung als Schaufelwerkstoff eingesetzt wird. Niederdruckturbinen gehören zu den höchstbelasteten Komponenten in einem Triebwerk – sie müssen hohen Temperaturen und hohen Drehzahlen standhalten. „Mit diesem neuen Werkstoff wird im Turbinenbau ein neuer Maßstab gesetzt“, weiß Clemens. Am 25. Jänner 2016 fand die Weltpremiere statt. Der erste Airbus A3neo hob mit rund 180 Passagieren vom Flughafen Frankfurt ab und leitete eine neue Ära des Fliegens „Made in Leoben“ ein.

Internationale Anerkennung
Die wissenschaftlichen Arbeiten des Lehrstuhls auf dem Gebiet der intermetallischen Titanaluminide haben in der Fachwelt Forschungstrends ausgelöst und internationale Anerkennung erhalten. So wurde Clemens im Jahr 2014 in Tokio mit dem renommierten Honda-Preis ausgezeichnet. Mayer wurde letztes Jahr der Georg-Sachs-Preis der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde überreicht.

Weitere Informationen:
Univ.-Prof. Dr. Helmut Clemens
Lehrstuhl für Metallkunde und metallische Werkstoffe
Tel.: ++43 650 4024201, E-Mail: helmut.clemens@unileoben.ac.at

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